Fake-Zitat und Shitstorm: Ist Hass im Netz der Preis für Sichtbarkeit?
Fake News, Fake Titten.
Mehr Schein, als sein.
Das dominiert heute die Nachrichten.
Scheint zumindest so.
Was ist heutzutage noch echt? Was können wir noch glauben?
Immer öfter stellen sich deshalb auch die Fragen:
Sag, glaubst du das? Ist das echt so?
Glaub nicht alles, was du liest!
Das ist der Grund weshalb ich schon gar nicht mehr einschalten will, und wenn, dann nur sehr ausgewählt. Etwa die Sendung Moment Kulinarium von Ö1.
Warum ich dir das alles erzähle?
Mir wurde ein Fake Zitat untergeschoben.
Und das hat einen unglaublichen Shitstorm ausgelöst. Mit 1,1 tausend Kommentaren zu einem Beitrag von Ö1 auf FB innerhalb eines Tages.
Spoiler: der Beitrag wurde mittlerweile gelöscht.
Aber lass mich dir die ganze Geschichte von vorne an erzählen:
Bei Anfragen mit der Frage möchtest du mitmachen? Willst du uns ein Interview geben? Stelle ich mir erstmals die Frage: Warum will ich da mitmachen?
Klar ist, es geht dabei immer auch um Sichtbarkeit.
Will ich die Sichtbarkeit überhaupt?
Wenn ja, wofür?
Will ich, dass sich Menschen für mich als Person interessieren, will ich Aufmerksamkeit für mein Businesserzeugen, will ich einfach mein Wissen teilen oder plauder ich gerne?
Beweggründe gibt’s viele verschiedene.
Ich mache Interviews gerne, weil ich mein Wissen und meine Erfahrungen gerne teile und weil ich gerne spreche, Geschichten erzähle und mich unterhalte.
Als Teil unserer Marketingstrategie bei AlexArts sehe ich Interviews in den klassischen Medien nicht. Zu sehr ist es für mich wie eine Postwurfsendung, mit der ich wohl viele Menschen erreichen kann, aber sich mir doch die Frage stellt, wie viele meiner Lieblingskund*innen dabei sind.
Und meine bisherigen Erfahrungen bestätigen das auch. Genannt werden in der Presse, bringt Sichtbarkeit, aber kaum Kunden. Wenn überhaupt nur kurzfristig, also nicht wirklich nachhaltig.
Bei dem Telefonat mit der Redakteurin war ich zuerst reserviert und zögerlich. Ums Thema Eier soll’s im Beitrag gehen, hat sie mir erklärt.
Ui ui, dachte ich mir, ein Thema, das immer wieder kontrovers diskutiert wird und für hitzige Diskussionen sorgt.
Ich soll über die Pavlova, eine Torte aus gebackener Schaummasse, gefüllt mit geschlagenem Schlagobers und Beeren, sprechen, meinte sie.
Gut dachte ich mir, ich machs, trotz des mulmigen Bauchgefühls.
Das schob ich beiseite.
Am Interviewtag kamen wir ziemlich am Anfang des Gesprächs auch auf vegan Backen. Und wie das Ei dabei ersetzt werde.
Zack, war wieder das ungute Bauchgefühl da. In welche Richtung wird das Gespräch gehen?
Wir plauderten ganz entspannt über vegan Backen, über Aquafaba und Backpulver als Triebmittel. Darüber, dass Torten, sogar Pavlova und auch Macarons natürlich auch ohne Ei gebacken werden können.
Das kam im Beitrag nicht vor. Passt, geht’s ja auch um Eier und nicht um vegan Essen.
Ob ich auch vegan backe wurde nicht gefragt. Ja, tu ich, 3 fantastische Produkte. Eines ist sogar unser meistverkauftes Produkt. Vegan Backen ist trotzdem nicht der Schwerpunkt in meiner Backstube.
Der Sendetag kam und ich freute mich gespannt auf den Beitrag. Schon beim ersten Mal hören fand ich ihn super, weil gut und bildlich erzählt. Wirklich gut gemacht. Bis heute habe ich ihn mehrmals gehört und mich daran erfreut.
Auf FB bin ich kaum noch unterwegs. Hauptsächlich, weil ich das, was ich jetzt hier gleich schreibe, immer und immer wieder dort sehe.
Zufällig stieß ich auf den Beitrag, weil eine liebe Bekannte den Beitrag kommentiert hat. Danke Katharina!
Mit einmal schnell hinschauen, hatte ich die Bestätigung für mein von Beginn an ungutes Bauchgefühl:
“Oj, jetzt machen sie die vegan Kiste auf.”
Da ist der Shitstorm quasi schon vorprogrammiert.
Im Beitrag sagt die Redakteurin: “In der veganen Patisserie wird die Triebkraft der Eier durch Backpulver oder Aqua faba, der Flüssigkeit aus Kichererbsendosen, ersetzt, was aber auch die Textur des Gebäcks verändern kann, weshalb sie* lieber bei den Eiern bleibt.”
*mit sie bin ich gemeint.
Einige Sekunden wird in einem fast 25 Minuten langen Beitrag, in dem es um Eier geht, vegane Patisserie nur erwähnt und das Social-Media-Team des Senders stürzt sich genau darauf, weils genau wissen, damit reißens bei den Leuten ein Leiberl.
Bei mir nicht!
Schon gar nicht, wenns mir dann noch ein Fake Zitat unterschieben.
Eh klar, wollen sie ja, dass du ihre Sendung hörst.
Obs diese seltsamen Methoden braucht? Ich brauchs nicht.
Was war jetzt also das falsche Zitat, das solche Wellen schlug?
Am Beitragsbild war ich zu sehen mit einer 30er-Lage Eiern und daneben stand:
“Ohne Ei geht kaum was.
Ich brauche beim Backen den Trieb.
Du willst ja kein Fladenbrot.“
What????
Ich hab im Interview erzählt, was alles geht. Und dass es Top-Kolleg:innen gibt, die das super machen. Im Beitrag wurde das nicht gebracht, gings ja auch ums Ei, nicht um veganes Backen.
Kein Wort von: Ohne Ei geht kaum was!
Und genau dieser Satz, den sich irgendein Social Media Florian ausgedacht hat, führte dann zu einem gewaltigen Shitstorm, mit 1,1 Tsd. Kommentaren in bisserl mehr als einem Tag.
Seltsame Kommentare las ich da. Unglaublich abwertend, vorverurteilend und komplett unreflektiert wurde da der ganze gesammelte Grant abgeladen:
Ich wurde persönlich angegriffen und schlecht gemacht, meine Kompetenz durch den Kakao gezogen, meine Ausbildung und mein Wissen hinterfragt und sogar an meinen Nachnamen gezweifelt. Hihi, ja, ich heiß wirklich so.
Was für gestrige Ansichten ich habe, obwohl ich doch noch so jung bin. Ich solle doch zurück auf die Konditorschule gehen. Hihi, gäbs die bloß in Österreich.
Oder einen Kurs bei einer Kollegin machen, die auf vegane Konditorei spezialisiert ist. Oder irgendwo im Internet eine vegane Fortbildung besuchen, damit ich das auch endlich lerne.
Oder: In ein Fladenbrot kommt sowieso kein Ei, aber sie is ja bloß Konditormeisterin und kein Bäcker.
Eine Userin nahm sich sogar die Zeit und besuchte mich auf meinem privaten FB Profil und hinterließ mir den Kommentar: “Hinterwäldlerin!”
Mir wird bei sowas immer schlecht. Also so richtig kotzübel.
Da is dann auch egal obs mich selbst betrifft oder einen anderen Menschen.
Doch das alles ist mir nicht ganz neu. Ich kenne das schon ein bisschen. Lustigerweise von der “anderen Seite” damals. Als ich 2013 noch in meinem Bistro Bio Gemüseküche kochte, konnte ich mir anhören: “Da wird man ja nicht satt, weils ja nur Gemüse gibt. Bio ist doch eh ein Schmarrn und nur Abzocke. Die drei Heinzis, die da kommen, mit denen machst eh kein Gschäft.”
Von einem bekannten Journalisten, der übers Essen schreibt, wurde mein Lokal sogar betitelt mit: „Ah, das ist das Lokal, in dem eh alles, was Spass macht, verboten ist.“
Als ich 2011 mein damaliges Business gründete, war ich mit rein vegetarischer Küche meiner Zeit voraus. Konntest du damals in Wien vegetarische Gerichte in Restaurants und rein vegetarische Restaurants noch suchen. Zum Glück gibt’s die heute zuhauf! Welch eine Bereicherung, die Gemüseküche auf den Teller bringt. Ich persönlich find Fleisch ja meistens ziemlich fad.
Damals gings jedoch rein um die Sache an sich, also um Gemüseküche und Bio-Lebensmittel. Heute werde ich als Person angegriffen.
Das ist keine Kritik. Kritik geht sachlich, ohne Menschen persönlich anzugreifen. Das ist den gesammelten Grant völlig unreflektiert abladen an einem Menschen.
Noch dazu für etwas, das er nicht gesagt hat. Und noch nichtmal der Beitrag gehört wurde, ob ers überhaupt gesagt hast.
Das die Welt in der wir leben keine Heidi Blumenwiese ist, weiß ich. Das der ORF aber selbst falsche Zitate in die Welt setzt und damit Hass eine Bühne gibt und es auch noch völlig unmoderiert zulasst, will ich nicht verstehen.
Mein Fazit:
Diese Art von Sichtbarkeit, die mit Hass und Unwahrheiten einhergeht, möchte ich nicht.
Wenn ich mich äußere, dann nur in sicheren, respektvollen Umfeldern, in denen der Umgang miteinander von Verantwortung und Wertschätzung geprägt ist.
Für sensationsheischendes Social Media-Tamtam werde ich mich nicht mehr hergeben. Das hat in meinem Leben keinen Platz – es gibt bereits genug Hass in der Welt, und ich möchte nicht dazu beitragen.
In diesem Sinne,
Habts euch lieb!
Bussi Baba
Deine Alex