Respekt statt Klischee: Warum “Tortenfee” und “Backlady” eine Abwertung des Konditorinnen-Berufs sind
Im Handwerk gibt es klare Berufsbezeichnungen: Der Tischler ist ein Tischler, der Goldschmied ein Goldschmied und der Koch ein Koch.
Doch wenn es um Konditorinnen* geht, scheint diese Klarheit plötzlich zu schwinden.
*insbesondere Konditorinnen, die eine Auftragskonditorei führen.
Statt mit der richtigen Berufsbezeichnung genannt, werden sie in der Öffentlichkeit und den Medien oft mit verniedlichenden und unsachlichen Titeln wie „Tortenfee“, „Backlady“ oder gar „Zuckerprinzessin“ versehen.
Expertin oder Hobbybäckerin? – Sprache erzeugt Bilder
Wenn wir von einer „Tortenfee“ sprechen, haben wir sofort ein bestimmtes Bild im Kopf: eine freundliche, fröhliche Frau, die mit Leichtigkeit und mit „magischer“ Intuition süße Köstlichkeiten zaubert.
Dieses romantisierte Bild ist niedlich, süß – und guess what kilometerweit entfernt von der Realität unseres Handwerks.
Im Gegensatz dazu ruft das Wort „Konditorin“ oder „Konditormeisterin“ ganz andere Assoziationen hervor: eine professionelle Fachkraft, die sich mit präzisen Techniken, hochwertigen Zutaten und komplexen Rezepturen auskennt.
Allein durch die Wahl der Begriffe entscheidet sich also, ob jemand als ernstzunehmende Expertin wahrgenommen wird oder als liebenswerte Hobbybäckerin.
Auf den ersten Blick mögen diese Begriffe ja harmlos oder gar schmeichelhaft wirken. Schließlich klingt „Fee“ magisch, „Lady“ edel und „Prinzessin“ märchenhaft. Doch genau hier liegt das Problem: Solche Begriffe reduzieren den Beruf auf eine niedliche Freizeitbeschäftigung, auf ein „liebenswertes Hobby“, anstatt ihn als ernsthaften Handwerksberuf zu sehen.
Die Bilder, die durch solche Kosenamen vor unserem Auge entstehen, wenn auch nicht immer bewusst, prägen unsere Vorstellungen, unsere Meinungen und unser Wissen über andere Personen und uns selbst.
Wenn Konditorinnen im Alltag oder in Medien ständig mit verniedlichenden Begriffen beschrieben werden, setzt sich unbewusst das Bild fest, dass ihr Beruf weniger anspruchsvoll sei als andere Berufe.
Wir Konditorinnen sind keine zauberhaften Wesen, die in einer magischen Backstube mit rosa glitzerndem Feenstaub mühelos Torten zaubern. Wir haben eine anspruchsvolle Ausbildung abgeschlossen, präzise Arbeitstechniken erlernt und arbeiten täglich unter enormem Zeitdruck und hohen Hygienevorschriften.
Von der Rezeptentwicklung über die handwerkliche Fertigung bis hin zur kreativen Gestaltung – all das ist weit mehr als „ein bisschen Backen“.
Die Konditorei ist ein traditionsreiches und umfangreiches Handwerk.
Unser Können umfasst eine irre Vielfalt: Torten, Kuchen, Teegebäck, Pralinen, Petit Four, Zuckerl, Eis, Viennoisserie, Mehlspeisen wie Marillenknödel und Buchteln und Patisserie auf Sterneniveau.
Das sollte nicht durch ein süßliches „Backfee“-Image abgetan werden.
Konditorin & Unternehmerin
Viele der Frauen, die als „Tortenfee“ oder „Tortenlady“ bezeichnet werden, sind nicht einfach “nur” Konditorinnen – sie sind selbstständige Unternehmerinnen.
Sie haben ein Gewerbe angemeldet. Sie haben eine ordentliche Produktionsstätte, die jährlichen Kontrollen unterliegt. Sie leiten ihren eigenen Betriebe. Sie tragen Verantwortung für Mitarbeiter. Sie machen Buchhaltung und noch zig weitere Aufgaben, die zum Unternehmerinnentum dazu gehören.
Wer eine erfolgreiche Unternehmerin mit einem märchenhaften Spitznamen belegt, nimmt ihr nicht nur die Anerkennung für ihr handwerkliches Können als Konditorin, sondern auch für ihre unternehmerische Leistung.
Geschlechterstereotype und mögliche Auswirkungen
Auffällig ist, dass diese Kosenamen ausschließlich Frauen betreffen. Während männliche Konditoren in der Regel einfach als solche bezeichnet werden, erhalten wir Konditorinnen oft verniedlichenden Spitznamen.
Mir ist noch nie untergekommen, dass ein Konditor mit eigener Konditorei als „Backelf“ oder „Kuchenprinz“ bezeichnet wird.
Solche Geschlechterstereotype sind Frauen im Handwerk und im Berufsleben allgemein nicht förderlich. Wer ständig als liebevolle „Fee“ oder „Lady“ dargestellt wird, wird weniger als ernst zu nehmende Fachkraft oder Unternehmerin wahrgenommen.
Das hat konkrete Auswirkungen: Es erschwert den beruflichen Aufstieg, verringert die Anerkennung für Leistung und Kompetenz und verstärkt unbewusst bestehende Geschlechterklischees.
Besonders problematisch ist der Einfluss solcher Begriffe auf junge Mädchen. Wenn sie durch Medien und Gesellschaft ständig vermittelt bekommen, dass Frauen in handwerklichen Berufen „niedlich“ und nicht „professionell“ sein sollen, wirkt das entmutigend.
Sie sehen darin keinen ernsthaften Karriereweg, sondern eher eine nette Nebenbeschäftigung – ein Hobby – ohne große Entwicklungsmöglichkeiten.
So kann es dazu beitragen, dass weniger Mädchen sich für eine Ausbildung zur Konditorin oder generell für einen handwerklichen Beruf entscheiden.
Der Einfluss auf Selbstwert, Bezahlung und Altersarmut
Wer ständig als niedlich, lieb oder nebensächlich dargestellt wird, verinnerlicht unbewusst das Gefühl, weniger wert zu sein. Und dieses mangelnde Selbstwertgefühl kann zu einer gefährlichen Spirale führen:
• Geringeres Selbstbewusstsein → niedrigere Preisvorstellungen
Frauen, die das Gefühl haben, nicht als echte Unternehmerinnen oder Expertinnen anerkannt zu werden, tun sich oft schwerer damit, angemessene und wertschätzende Preise für ihre Arbeit zu verlangen. Sie verkaufen sich unter Wert, weil sie glauben, dass ihre Leistung „nicht so viel wert“ sei oder „keinen hohen Preis rechtfertigt“.
• Geringere Preise → schlechtere Bezahlung → ungleiche wirtschaftliche Bedingungen
Wer seine Arbeit dauerhaft zu günstig anbietet, verdient weniger als männliche Kollegen mit vergleichbarer Qualifikation. Das verstärkt bestehende Ungleichheiten in der Bezahlung und sorgt dafür, dass Frauen wirtschaftlich oft schlechter dastehen.
• Geringes Einkommen → geringe Rentenansprüche → Altersarmut
Frauen, die ihr ganzes Berufsleben über unterbezahlt sind oder ihre Leistungen nicht ausreichend monetarisieren können, erhalten später entsprechend weniger Rente. Die Folge: eine massive Gefahr der Altersarmut. Gerade in Branchen mit hohem Frauenanteil ist dieses Problem besonders ausgeprägt.
Ein Aufruf für korrekte Berufsbezeichnungen
Sprache formt unser Denken, und solange sich Begriffe wie „Tortenfee“ halten, bleibt auch das Bild der „lieblichen Torten – Bäckerin“ bestehen, das Konditorinnen in ihrer professionellen Wahrnehmung zurückwirft.
Wer die Kompetenz, das Können und die Arbeit dieser Frauen anerkennen will, sollte sie auch als das bezeichnen, was sie sind: Expertinnen in ihrem Handwerk.
Stereotype halten sich hartnäckig und es ist nicht leicht, sie loszuwerden.
Es ist an der Zeit, diese Stereotype zu durchbrechen.
„Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe engagierter Menschen die Welt verändern kann – tatsächlich ist dies die einzige Art und Weise, in der die Welt jemals verändert wurde.” Margaret Mead
Eine Veränderung kann nur stattfinden, wenn wir uns auf den Weg machen!